Traktionsarten und Stromsysteme

2.2 Traktionsarten

 
Der Deutschen Bundesbahn standen 1949 drei Traktionsarten für den zukünftigen Eisenbahnbetrieb zur Auswahl: Dampf-, Diesel- und Elektrolokomotiven. In weiten Gebieten der Bundesrepublik beherrschte damals die Dampflok noch uneingeschränkt das Bild der Eisenbahn. Ein Blick ins westeuropäische Ausland zeigte jedoch, dass die Zeit der Dampflokomotiven langsam zuende ging und sie durch Diesel- oder Elektrolokomotiven abgelöst wurde. In den folgenden drei Abschnitten sind die wichtigsten Vor- und Nachteile der drei Traktionsarten nach dem Stand der Technik um das Jahr 1950 aufgeführt.
 
 
2.2.1 Dampflokomotiven
 
Spätestens Mitte der 30er Jahre geriet die Dampflok gegenüber der elektrischen Konkurrenz in allen Belangen hoffungslos ins Hintertreffen. Selbst die stärkste nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte Dampflokomotive in Frankreich konnte in ihrer Leistungsfähigkeit mit Elektrolokomotiven nicht schritthalten. Dabei erreichten die Dampflokomotiven Längen bis zu dreißig Metern und wogen über 200 Tonnen. (142) Alle Versuche, die Energie der Kohle durch höhere Dampfdrücke der Kolbenmaschinen, mit Dampfturbinen oder anderen Feuerungsarten besser auszunutzen, sind an den rauen Betriebsbedingungen gescheitert. (143)
 
Ein Beispiel für Versuche, den Verbrauch an Brennstoff zu reduzieren, waren die Lokomotiven mit Franco-Crosti-Speisewasser-Vorwärmung. Die DB erprobte u. a. bei der Baureihe 42.90 die Technik.
 
 
Mit einem mittleren Wirkungsgrad von unter 0,07 liegen die Dampflokomotiven bezogen auf die Primärenergie gegenüber ihren Konkurrentinnen erschütternd niedrig. Die Elektro- und Diesellokomotiven erreichen im normalen Eisenbahnbetrieb einen Wirkungsgrad von 0,21. Sie nutzen also die Primärenergie etwa dreimal besser aus. (144) Die Leistungsfähigkeit einer Dampflok hängt nicht nur von der Maschine ab, sondern wird in einem hohen Maße von der fachlichen Qualifikation des Lokführers und der körperlichen Konstitution des Heizers beeinflusst. (145)
 
Die reichen Steinkohlevorkommen in Deutschland und die damit verbundenen relativ geringen Beschaffungs- und Transportkosten gegenüber Ländern ohne eigenen Kohlevorkommen haben sicher auch dazu geführt, dass die Elektrifizierung und die Verdieselung bis 1949 in Deutschland keinen breiten Raum einnahm. (146) Bei Gründung der Deutschen Bundesbahn waren, wie schon erwähnt, nur 5,2 Prozent der Gesamtstrecken elektrifiziert. Im Vergleich zu Ländern in westeuropa ohne ausreichende Kohlevorkommen lag die Bundesbahn weit zurück. In der Schweiz, in Schweden und Italien lag der elektrifizierte Streckenanteil zwischen 34 und 80 Prozent. Frankreich war gerade dabei, in erheblichem Umfang auf elektrische Zugförderung umzustellen. (147)
 
Alles deutete darauf hin, dass die Dampflok in absehbarer Zeit von den Schienen der Bundesbahn verschwinden würde. In der Umstellungsphase auf andere Traktionsarten konnte auf die Dampflokomotiven jedoch längere Zeit nicht verzichtet werden. Für die nächsten Jahrzehnte musste die Deutschen Bundesbahn überalterte Dampflok-Baureihen durch neue Dampflokomotiven ersetzen. Dadurch wurde ein Typenprogramm erstellt, dessen erste Maschinen die Werkhallen Ende 1950 verließen. Dabei wurden auf die Betriebssicherheit großen Wert gelegt und auf komplizierte technische Möglichkeiten weitgehend verzichtet. (148)
 
 
2.2.2 Diesellokomotiven
 
Von den drei Traktionsarten fuhr die Diesellokomotive erst sehr spät in nennenswerten Stückzahlen auf deutschen Schienen. Das Problem der Kraftübertragung vom Motor auf die Antriebsachsen konnte lange Zeit nicht befriedigend gelöst werden. Erst 1936 wurden Dieselloks bei der Deutschen Reichsbahn in größeren Stückzahlen beschafft. Dabei handelte es sich allerdings um relativ kleine Maschinen mit bis zu 260 kW (360 PS). 1949 standen der Deutschen Bundesbahn nur sehr wenig stärkere Diesellokomotiven aus der Reichsbahnzeit zur Verfügung. Die stärkste von ihnen hatte ca. 1000 kW (1400 PS). Die Lokomotiven arbeiteten zumeist mit hydraulischer Kraftübertragung, welche auch heute noch bei der Bundesbahn üblich ist. (149)
 
Besonders in den Vereinigten Staaten und Kanada war die Entwicklung der Diesellokomotiven weiter vorangetrieben worden. Dort stellten die Bahnunternehmen vom Dampf- auf den Dieselbetrieb um, da die Betriebskosten bei der neuen Traktion durch reichlich vorhandenes billige Öl sehr günstig waren, Daher wurde hier auch weitgehend auf die Elektrifizierung von Eisenbahnstrecken verzichtet. (150)
 
Für die stark belasteten Hauptstrecken brauchte die Deutsche Bundesbahn leistungsfähige Groß-Diesellokomotiven, über deren Beurteilung sich die Fachleute für deutsche Betriebsverhältnisse noch nicht im klaren waren. Groß-Diesellokomotiven kosteten bei der Beschaffung 2,5 mal mehr als eine vergleichbare Dampflok. Es lagen auch noch keine genauen Untersuchungen zu den Einsparungen an Unterhalt, Personal und Brennstoff vor. Klar erkennbar war lediglich die Ersparnis an Personal- und Pflegekosten in den Bahnbetriebswerken. Als Problem wurde damals wegen Devisenmangel die Versorgung mit Treibstoff aus dem Ausland angesehen. Um die Abhängigkeit von Öl-Einfuhren zu senken, schlugen Experten die Hydrierung oder Synthese von Kohle vor. Die Verfahren hätten hohe Treibstoffpreise zur Folge gehabt und damit die Wirtschaftlichkeit der Groß-Diesellokomotiven erheblich gemindert. (151)
 
Schon 1948 war den meisten Fachleuten klar, dass Diesel- und Elektrolokomotiven im Grunde keine Konkurrentinnen waren, sondern jede Traktionsart ihr spezielles Einsatzgebiet haben würde. In der Umstellungsphase der Hauptstrecken auf reinen elektrischen Betrieb wurde die Diesellokomotive nur als Zwischenlösung angesehen. (152)
 
Dagegen waren die Vorteile des dieselhydraulischen Antriebs auf wenig belasteten Nebenbahnen und im leichten und mittleren Rangierdienst gegenüber den anderen beiden Traktionsarten besonders groß. (153) Dort brauchte die kostspielige Elektrifizierung nicht erfolgen, Eine Diesellok kann Ladegleise und Gleisanschlüsse zu Industriebetrieben kostengünstig bedienen.
 
 
2.2.3 Elektrolokomotive
 
Nach dem Erkenntnisstand der 50er Jahre war die elektrische Zugförderung die eleganteste, sauberste leistungsfähigste und wirtschaftlichste Traktionsart. (154) Obwohl die meisten Vorteile der Elektrolokomotive in den vorangegangenen Abschnitten, insbesondere in der Denkschrift zur Strecke Dessau – Bitterfeld schon genannte wurden, möchte ich sie im Zusammenhang wiederholen und ergänzen.
 
Für die Deutsche Bundesbahn war es besonders wichtig, dass im elektrischen Zugbetrieb hohe Anfahrbeschleunigungen, Geschwindigkeiten und Zugdichten erreicht werden konnten. Dazu kam die groß Einsatzbereitschaft und die niedrigen Unterhaltskosten der Elektrolokomotive. (155) Das Betriebspersonal musste keine schwere körperliche Arbeit verreichten. Eine Person reichte zum Führen der E-Lok aus. Dabei war der Aufenthalt im Führerhaus durch Heizung und Belüftung angenehm und bot darüber hinaus eine ausgezeichnete Sicht auf die Strecke. Die Erhaltung einer Elektrolokomotive ist anspruchslos und damit steht sie nahezu ununterbrochen zur Verfügung. (156)
 
Alle Achsen einer elektrischen Lokomotive können wegen des relativ geringen Gewichts der Bauteile zum Antrieb verwendet werden. Auf Laufachsen kann verzichtet werden. (157)
 
Beides zusammen führte zu einem guten Leistungsgewicht und besten Laufeigenschaften. (158) Elektrische Lokomotiven können wegen ihres gleichmäßigen Drehmoments Steigungen bis zu 70 Promille sicher befahren. Dampflokomotiven schaffen nur etwa 30 Promille Steigungen, da sich bei ihnen das Drehmoment ständig ändert und die Antriebsräder eher durchrutschen. Eine gleichmäßige Zugkraft schont den Bahnkörper ebenso, wie das Bremsen über elektrische Widerstände. (159)
 
Von der Stromversorgung über den Fahrdraht aus gesehen, kann die Leistung einer Elektrolokomotive nahezu unbegrenzt erhöht werden. (160) Zu der schon sehr hohen Stundenleistung dieser Traktionsart tritt noch ihre Überlastleistung, die durch die Überlastungsfähigkeit der Elektromotoren möglich wird und in allen Geschwindigkeitsbereichen kurzzeitig genutzt werden kann, ohne das es zu Schäden an der Maschine kommen kann.
 
Die Elektrolokomotive kann universell verwendet werden, so dass nur zwei bis drei Baureihen den gesamten Zugförderungsbereich abdecken können. (161) Darüber hinaus kann durch die nahezu ständige Einsatzbereitschaft einer E-Lok bei einer gegebenen Streckenbelastung die Gesamtzahl der Zugmaschinen gegenüber dem Dampfbetrieb bis auf die Hälfte verringert werden. (162)
 
Der Strom für die Oberleitung lässt sich mit sehr geringen Verlusten über große Entfernungen bequem verteilen und den Elektrolokomotiven auch bei hohen Geschwindigkeiten zuführen. (163) Die elektrische Energieversorgung kann aus heimischen Brennstoffen erfolgen. Dabei müssen plötzliche Preisschwankungen, wie sie bei eingeführten Treibstoffen nicht ausgeschlossen sind, nicht befüchtet werden. (164)
 
Bei elektrischen Betrieb verschwindet die Belästigung der Reisenden und Anwohner von Eisenbahnstrecken durch Rauch und Ruß. (165)
 
Überhaupt erhöht sich die Sauberkeit und Rauchfreiheit der gesamten Bahnanlagen, wodurch sich Reinigungskosten verringern und mögliche Bahnkunden eher angelockt werden. Weiterhin verschwinden auf langen Tunnelstrecken die Lüftungsprobleme durch Abgase und Rauch. (166)
 
Für die Reisenden ist es weiter von Vorteil, dass durch die hohe Anfahrbeschleunigung und Endgeschwindigkeit der elektrischen Lokomotiven sich die Fahrzeiten erheblich verringern. Für den Schnellverkehr im Ruhrgebiet rechnete die Planer mit etwa 33 Prozent Zeitersparnis. (167) Ähnliches gilt auch für Güterzüge, wodurch die Umlaufgeschwindigkeit der Güterwagen erhöht wird. Ganz nebenbei entfällt die Gefährdung der Transportgüter durch Ruß und Funkenflug wenn eine Elektrolokomotive zum Einsatz kommt. (168)
 
Nach all den vielen Vorteilen der elektrischen Traktion komme ich jetzt zum entscheidenden Nachteil. Die Kosten einer Streckenelektrifizierung sind außerordentlich hoch. 1950 rechneten die Fachleute für die Elektrifizierung einer vorhandenen zweigleisigen Hauptstrecke 0,5 bis 1,5 Millionen DM pro Streckenkilometer. (169) Der von der Bundsbahn verlangte Nachweis der Wirtschaftlichkeit solcher hohen Investitionen ist rein zahlenmäßig nur schwer zu erbringen, da viele der oben genannten Vorteile nur unzureichend oder gar nicht in Geldwert ausgedrückt werden können.
 
1950 war für die in Frage kommenden Strecken eine ausreichende Tilgung und Verzinsung der Anlagekosten zu erwarten. (170)
 
Nach dem damaligen Kenntnisstand entschloss sich die Deutsche Bundesbahn dann zum planmäßigen Übergang von Dampf- auf Diesel- und Elektrolokomotiven. (171)
 
 
2.3 Stromsystem
 
das 1912 festgelegte Stromsystem mit einphasigem Wechselstrom von 16 2/3 Hz und 15.000 Volt Fahrdrahtspannung wurde mit der Deutschen Bundesbahn und der Diskussion um weitere Streckenelektrifizierungen in Frage gestellt. Zwar hatten Erfahrungen auf der Höllentalbahn mit 50 Hz Strom aus der Landesversorgung in einem Gutachten aus dem Jahr 1941 zu dem Ergebnis geführt, dass am alten bewährten Stromsystem mit 16 2/2 Hz festzuhalten sei, aber nachdem die französische Eisenbahn nach 1945 auf der Höllentalbahn Versuche unternahm, bei denen neuste Erkenntnisse im Bau von Einphasen-Kommutatormaschinen, Gleichrichtern und Umformern angewandt wurden und dabei praktische Lösungen fanden, die zur Einführung des 50 Hz-Systems auf neu elektrifizierten Strecken in Frankreich führten, erhielt die Stromsystemfrage auch in der Bundesrepublik neuen Auftrieb. (172) Während in Frankreich das 50 Hz-System Einzug hielt, führte die englische Eisenbahn ihr Elektrifizierungsprogramm mit 1500 Volt Gleichstrom durch. (173)
 
 
2.3.1 Gleichstromsystem
 
Weltweit waren in jener Zeit Gleichstromnetze mit 1500 oder 3000 Volt am weitesten verbreitet. (174) Die Fahrdrahtspannung ist an die höchste zulässige Motorspannung gebunden, da sich Gleichstrom nicht transformieren lässt. Die Fahrmotoren sind zwar einfach aufgebaut und damit preisgünstiger als vergleichbare Wechselstrommotoren, doch lassen sie sich nicht so regeln. Im oberen Geschwindigkeitsbereich liegen sie in Leistung und Zugkraft unter entsprechenden Wechselstrommotoren. Andererseits ist eine Gleichstromlokomotive überlastungsfähiger, was beim Anfahren und Beschleunigen von Vorteil ist.
 
Die Bahnstromversorgung kann im Gleichstromsystem über Gleichrichter aus dem üblichen Drehstrom der Landesversorgung auf einfache Weise in Unterwerken erfolgen. Dagegen sind die Kosten für Unterwerke und Fahrleitungen hoch. Bei einer Fahrdrahtspannung von 3 000 Volt sind alle 30 Kilometer Unterwerke erforderlich. Bei Wechselstrombetrieb betrug der Regelabstand inzwischen 80 Kilometer. Der Fahrdrahtquerschnitt ist im Gleichstromsystem dreimal größer als bei Wechselstrombetrieb. (175)
 
Jedes der beiden Systeme hat Vor- und Nachteile. Trotz der weiteren Verbreitung der Gleichstromnetze bedeutete dies nicht, dass der Wechselstrombetrieb unwirtschaftlicher oder unsicherer wäre. Da in Mitteleuropa die Strecken mit schweren Zügen und hohen Geschwindigkeiten befahren werden, ist eine hohe Lokomotivleistung erforderlich. Die große Stromentnahme aus der Fahrleitung ist beim Wechselstromsystem leichter möglich. Ende der 40er Jahre schien der Wechselstrombetrieb auch in der Zukunft in Deutschland wirtschaftlich sinnvoll zu sein. (176)
 
Für die Deutsche Bundesbahn bedeutete dies, zumal ein Wechselstromnetz schon in Süddeutschland bestand, an diesem Stromsystem auch in Zukunft festzuhalten. Darin waren sich die Fachleute weitgehend einig. So konzentrierte sich die Diskussion auf die Frage der günstigsten Frequenz des Wechselstromsystems.
 
 
2.3.2 Einphasen-Wechselstrom von 16 2/3 oder 50 Hz
 
Wenn es gelingen würde, die Frequenz auf 50 Hz zu erhöhen und trotzdem vergleichbare Lokomotivleistungen zu bekommen, könnte die Stromversorgung der elektrifizierten Strecken aus dem Landesnetz erfolgen. Damit ließe sich Anlagenkapital für bahneigene Stromerzeugung und Überlandleitungen sparen. (177) In den Unterwerken entlang der Bahnstrecken würde der Drehstrom er Landesversorgung in einphasigen Wechselstrom umgeformt. (178) Besonders die Kraftwerksbetreiber waren an dieser Entwicklungsmöglichkeit interessiert, da sich für sie eine bessere Kraftwerks- und Hochspannungsnetz-Auslastung ergeben würde. Sie bekämen dann einen neuen Großverbraucher mit einer über den Tag und über die Woche etwa gleich großen Stromabnahme. (179)
 
Die Entwicklung der Motoren für Wechselstrom mit 16 2/3 Hz hatte zu außerordentlich guten Ergebnissen geführt, wie ich sie am Beispiel der E 19 schon aufgezeigt habe. 1950 war es noch nicht möglich, Motoren für 50 Hz so leistungsfähig, betriebssicher und wartungsarm zu bauen, wie dies bei 16 2/3 Hz Elektromotoren möglich war. (180) Die Schwierigkeiten, einen betriebssicheren 50 Hz Elektromotor zu bauen, führten Anfang der 50er Jahre in Ungarn und den USA zu Versuchen, das Problem zu umgehen, indem der Strom innerhalb der Lokomotive in Dreh- oder Gleichstrom für die entsprechenden Motoren umformte wurde.
 
1950 lief die Entwicklung im Ausland, wie z. B. in Frankreich, auf die Einführung des 50 Hz-Systems hinaus, wenn es sich dabei um neu zu elektrifizierende Strecken ohne Zusammenhang mit bestehenden elektrischen Eisenbahnnetzen handelte oder in weniger dicht besiedelten Gebieten gebaut werden sollten. (181) Da im März 1950 für die Deutschen Bundesbahn ein Elektrifizierungsplan erstellt worden war, musste bald eine Entscheidung in der Stromsystemfrage getroffen werden. Anfang 1951 schien sich die Beibehaltung des 16 2/3 Hz-Systems abzuzeichnen, da zu dem neuen 50 Hz-Kommutatoren-Motor und den Gleichrichtern noch keine endgültigen Betriebserfahrungen vorlagen. (182) Im Laufe des Jahres fiel dann die Entscheidung zu Gunsten des 16 2/3 Hz-Systems. Nach dem damaligen Erfahrungsstand der Experten waren 50 Hz-Lokomotiven vergleichbaren 16 273 Hz Elektrolokomotiven im Preis und Gewicht unterlegen. Besonders die geplante Elektrifizierung der Ruhrgebietsstrecken mit ihren hohen Förderleistungen verlangte nach den leistungsfähigsten Elektromotoren. Die 50 Hz-Maschinen erfüllten die hohen Anforderungen noch nicht und es war nicht abzusehen, wie viel Zeit noch bis zu einem konkurrenzfähigen Motor vergehen würde. (183) So erlangten die Entscheider bei der Deutschen Bundesbahn zu der Überzeugung, an dem alten bewährten 16 2/3 Hz-System festzuhalten. (184)
 
 
2.3.3 Bahnstromversorgung
 
Da die weitere Elektrifizierung in der Bundesrepublik mit einphasigem Wechselstrom von 16 2/3 Hz erfolgen sollte, war die Frage nach dem günstigsten Stromerzeugungssystem zu beantworten. Anfang der 50er Jahre standen vier Möglichkeiten zur Auswahl:
 
- Zentrale Großumformer
- Dezentrale Kleinumformer
- Dezentrale Umrichter
- Primärmaschinen
 
Bei den ersten drei Möglichkeiten wird der Strom aus dem öffentlichen Netz bezogen.
 
Die 16 2/3 Hz-Primärmaschinen stehen direkt im Kraftwerk und speisen den Strom in eigene Bahnstrom-Überlandleitungen ein, die zu den Unterwerken entlang der Strecke führen. Bei der Kosten-Nutzen-Analyse stellte sich heraus, dass dezentrale Stromversorgungssysteme in Betriebs- und Anlageosten sehr hoch wären und sich eine Elektrifizierung dann kaum noch lohnen würde. Als wirtschaftlichstes System erwies sich eine Verbindung von Primärmaschinen mit Bahnstrom-Überlandleitungen. Es hat die niedrigsten Betriebs- und Anlagekosten. Darüber hinaus ist es wenig störanfällig. Auch zentrale Großumformer schnitten noch so kostengünstig in der Untersuchung ab, dass sie zur Ergänzung der Primärmaschinen in Frage kamen. (185)
 
In der Stromsystemfrage und der Bahnstromversorgung blieb mit den beschriebenen Entscheidungen alles beim Alten. Damit waren die Energieversorgungsunternehmen nicht zufrieden und der Wunsch nach weiteren Versuchen mit dem 50 Hz-System aus der Landesversorgung wurde immer wieder an die Bundesbahn gerichtet. Der Verkehrsminister Seebohm äußerte sich noch 1955 zur Systemfrage und meinte, das 50 und 16 2/3 Hz-System hätten ihre Vor- und Nachteile. Bei der Elektrifizierung der Ruhr- und Rheintalstrecken hätten die Verantwortlichen nicht auf die Entwicklung eines besseren Systems warten können. (186)
 
 
 

 

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